fredag den 4. november 2016

Salon du Livre on course at BIEL

Salon du Livre on course at BIEL: For its 22nd edition, the city’s annual Salon du Livre book fair aspires to stand at the crossroads of the French language and the Lebanese society. Over the course of its nine-day program the fair will stage over 100 discussions, more than 200 book-signing sessions and award six writing prizes.

lørdag den 27. august 2016

fredag den 26. august 2016

Et godt bogøje er lukket - Vagn Steen 1928-2016

Endnu en Vagn og stor digter er død, Vagn Steen. Og jeg skulle for helvede have besøgt ham her på det sidste og fortalt, genfortalt, hvor vigtigt og betydelig, han var i dansk litteraturhistorie A/S, og vi skulle også have fundet ud af, hvad der skulle stilles op med hans unikke og fyldige arkiv, og jeg sparker mig selv over skinnebenet her under skrivebordet for ikke have gjort det - heldigvis nåede han for et par år siden at læse den danske udgave af min artikel til storværket A Cultural History of The Avanr-gard in the Nordic Countries 1950-1975, der omsider udkom i bogform for et par måneder siden, om hans reklamepoesi, engelsk titel "Vagn Is Also A Bit of a Soft Drink - Vagn Steen's Advertisment for Himself and Concrete Poetry, 1964-1969" (jeg gør en blog-føljeton af den danske udgave gør jeg (GJORT SE OVENFOR)), bestilt af red. Tania Ørum (som stadig har alle mine eksemplarer af hans konkret-bøger, symbolsk nok, undtagen børnebøgerne), han fik alt for lidt anerkendelse for både sit forfatterskab og aktivistiske virke (gennem flere år i radioen ikke mindst) som sådan og sit konkretistiske værk, som er HOVEDVÆRKET, i de 60'er-år i særdeleshed, der er udkommet samlede udgaver af konkretist-kollegerne (og -konkurrenterne) Hans-Jørgen Nielsen og Johannes L. Madsen, men ikke af Vagn, selvom vi i Arena-regi- flere gange forsøgte at planlægge det (men blandt andet var det svært med formaterne, Skriv selv og Riv selv skal man jo for fanden kunne rive i - det kunne blive nødt til at være en vildt raslende boks, DET KAN BLIVE NØDT TIL AT VÆRE EN VILDT RASLENDE BOKS), jeg når ikke mere lige nu, jeg er betydeligt ked af det, han var så smittende glad for sig selv og sin pædagogiske poesi og poetiske pædagogik, men også virkelig sød og generøs, og flere år, end jeg orked,e kørte vi Lyrisk Skadestue i Byggeriets Hus på Frederiksberg, først og fremmest fordi han var så glad for navnet, og jeg citerer noget mere senere og skriver også en rigtig WA-nekrolog, her nøjes jeg afslutningsvist med det lille digt i, der indleder børnebogen (jeg skal have skrevet om hans konkretistiske børnebøger, og de skal også med i den samlede, raslende boks) ÆV min KÆVE O min VOM, 1969, det siger sådan cirka det hele, helt enkelt og helt KONKRET:

Denne bog er
DIG
     &
denne bog er
DIGte
    &
denne bog er
DIGte til DIG
    &
denne bog gør
DIG til DIGter
        ?

søndag den 17. juli 2016

getting old

the only real problem getting old is to see one's friends and contemporaries die one by one, to mourn and commemorate them and to know that they do not come back.

lørdag den 16. juli 2016

Er war ein Großer der europäischen Literatur, wer ihn las, bekam Flügel. Danke für alles, Péter Esterházy.



Zum Tode Péter Esterházys: Wenn Unsterbliche sterben

Ein Nachruf von Terézia Mora

Die Zeit hat nicht gereicht, dass wir, die wir ihn schätzten und liebten, es hätten glauben können, dass Bauchspeicheldrüsenkrebs auch jemanden wie ihn töten kann. So etwas kam uns, ehrlich gesagt, nie in den Sinn. Dass er sterblich sein könnte wie jeder andere Mensch auch.
Wir, die wir eine Generation jünger (und dazu Ungarn, schreibende wie lesende) sind, sind alle auf die eine oder andere Weise seinem Mantel entstiegen. Als ich aufwuchs, in den Siebziger- und Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts, waren die meisten Haushalte, die ich kannte, proletarisch, die Staatsform war Diktatur, aber Bücher waren billig, und Péter Esterházy konnte verlegt werden.

Ab dem zweiten Buch (dem von mir später übersetzten "Produktionsroman") hat meine Mutter alle seine Bücher gekauft. Ich las hinein, aber da ich ein Kind war, verstand ich nichts. "Wir finden keine Worte. Wie versteinert sind wir. Erschrocken plinkern wir: Sollten wir dermaßen unserer Lust-und-Laune ausgeliefert sein?"

Als Studentin nahm ich diese frühen Bücher wieder zur Hand und habe selten so gelacht. Aber das war immer noch nicht der Moment, da er mir als Autor unverzichtbar wichtig wurde. Ich war lediglich endlich in der Lage, ihn zu lesen. Als ich schließlich 30 wurde, übersetzte ich das erste Mal etwas von ihm. Es war sein großer Roman: "Harmonia Caelestis". Danach war ich endgültig frei.

Esterházys Sätze sind so, dass sie das in einem befreien, was befreit werden kann. Sätze wie diese: "1917, also gerade noch rechtzeitig, denn damals ging gerade alles zu Ende, damit neue Allesse anfangen konnten, erschien meinem Vater in Felsogalla die Jungfrau (hier: Maria), um ihm drei Geheimnisse anzuvertrauen..."

Solche Sätze voller Mut und Witz, Geist und Heiterkeit, Demut und Selbstironie, mit ihren Registerwechseln und der bis an ihre Grenzen gedehnten, aber niemals überdehnten Grammatik (denn es ist eine Frage der Berufsehre, darauf zu achten, dass "der Nebensatz nicht im Hauptsatz schlackert wie ein schlechtes Scharnier") haben mich zu der Erkenntnis gebracht, dass es keinen Grund auf dieser Welt gibt, nicht alles mit einem Satz zu machen, nicht alles von sich hineinzulegen, was einem nur möglich ist. Sätze, die den Blick (und somit die Handlungsmöglichkeiten, innerhalb und außerhalb des Satzes) erweitern, anstatt ihn einzuengen.

Esterházy gelesen und übersetzt zu haben hat mir Flügel verliehen. "Man muss alles versuchen. In die Sackgassen muss man auf ganz neue Weise hineinspazieren", steht in "Einführung in die schöne Literatur".

Als ich das gelesen habe, habe ich verstanden, was es war, was mich lähmte, damals, in den Siebziger- und Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts, als die meisten Haushalte proletarisch und die Staatsform Diktatur war. Ich hatte kein Vertrauen, keinen Halt. Ich hatte Angst. Aber ab nun hatte ich keine mehr. Ab nun hatte ich auch eine Stabilität gefunden, die Esterházy scheinbar von Haus aus mitgebracht hatte.

In ihm war all das stabil, was in mir, anfangs, ganz und gar nicht stabil war. Gott, Vaterland, Familie, Worte. Er hatte diesen Kern, ohne dass ihn das unbeweglich gemacht hätte. Die große Schwäche vieler Konservativer (und verbohrter Liberaler; ja, die gibt es auch): seine Werte so ängstlich zu hüten, dass man sich kaum zu rühren traut. Als müsste man befürchten, das zu knappe Fähnchen, in das man sich hüllt, könnte verrutschen und einen entblößen. (Als was? Als der, der man ist. "Jeder ist ein Mensch, der ein Mensch ist.") Lösung: nicht zu knapp, nicht zu steif. Es ist erlaubt, seine Nichtallwissenheit, sein Im-Prozess-Sein offenzulegen. Nicht, sie als Ausrede zu benutzen. Das käme sowieso heraus, denn es kommt immer alles heraus.

Sprachlich und ethisch unsere Instanz

Seitdem ich das verinnerlicht habe, schreibe ich anders und nehme auch alle Sätze, die andere produzieren, anders wahr. "Harmonia Caelestis" zu übersetzen hat mir als junge Autorin geholfen zu sehen: Hier liegt die Messlatte. Der Moment, wenn man sich als Künstler einen Meinvater adoptiert. Und wie mir ging es den meisten, die ihn je gelesen haben. Er war und ist immer noch unsere Instanz, sprachlich und (bzw.: also) ethisch.
"Ein Schriftsteller hat nicht in Volk und Nation, sondern in Subjekt und Prädikat zu denken" bzw. "Über einem gewissen Niveau begeben wir uns nicht unter ein gewisses Niveau".
Was dieses hier so schwierig macht, ist, dass ich das Privileg hatte, nicht nur seine Texte, sondern auch ihn persönlich kennenzulernen, und er zu allem Überfluss auch noch ein zauberhafter Mensch war und mir deswegen fehlen wird, solange ich lebe.

Es gibt seine Texte, das ist großartig. Aber er wird mir fehlen. Wie vielen. Wir sind viele, die an ihn wie an ein Familienmitglied denken. Man hat Sachen von ihm gelernt wie von einem Meinvater. Dass die Arbeit zählt, zum Beispiel. Wie die Arbeit ist. Wobei die meisten Autoren, die ich kenne, fleißig sind und (nicht mehr ganz so viele, aber immerhin einige) auch demütig. Die Sprache, die sich in Gottes Nähe befindet, und ich, die ich versuche, in die Nähe der Sprache zu kommen. "Am bezauberndsten können Atheisten das Wort Gott aussprechen."

Wir haben allen Grund, dankbar zu sein: für sein Werk und für seine Person. Natürlich: Er hatte es leicht. Er ist so geboren. Und dazu hat er sich auch noch Mühe gegeben. Wir anderen müssen uns eben noch etwas mehr Mühe geben.
Ich verspreche, mir Mühe zu geben.
 
Ich glaube nicht daran, dass wir uns wiedersehen. Ich bedauere das wirklich. Ich muss jetzt eine viel längere Zeit ohne dich leben, als ich immer dachte. Ich und die anderen, denen es ebenso geht, wir müssen uns nun damit begnügen, was noch möglich ist: An dich denken, dich lesen, dich weiter als die Instanz ehren, die du für uns geworden bist.
Dein Wort gilt. Wenn wir uns daran halten, wird es uns besser gehen, das wenigstens ist garantiert. Danke für alles. Ruhe in Frieden.

tirsdag den 12. juli 2016

Legendary Lebanese poet dies at 102

 
 
Christian clerics pray around the coffin of Lebanese poet Said Aql, as his body lies in state in Notre Dame University northeast of Beirut, Dec. 1, 2014.  (photo by REUTERS/Mohamed Azakir)

Legendary Lebanese poet dies at 102

Author: Al-Hayat (Pan Arab)
Said Aql [who died Nov. 28 at 102] almost lived through the entire 20th century. He was an ever-innovating classic poet whose poems always included Arabic prosody and the aesthetics of poetry, which are celebrated by the legacy of Arab ancestry. Aql was a great poet and he was undoubtedly the last classical legend left, after the departure of the pioneers of the Renaissance. He created a revolution in acrostic poems and in the poetic Arabic language, whose secrets he understood and experienced at an early stage, allowing him to mold it like pure gold in the hands of a skilled jeweler.
SummaryPrint Remembering Lebanon's renowned poet Said Aql, whose legacy spanned the 20th century.
Author
Aql, also known as the author of "Cadmus," lived within and beyond the 20th century, as he was not affected by either its cultural and poetic revolutions nor the wars and tragedies in the region. He was not interested in modernity and insisted that poetic prose were not poems. He was a very self-sufficient poet, happy with his authentic taste which has long fed from the roots of the Abbasi poetry, the Quran, Nahj al-Balagha and several other works of literary heritage. This is not to mention the influence of classical French poetry, which inspired him to enthusiastically write perfectly composed poems in French. Some of his last poems were published in two collections, "Sparks" and "Carving in Light" in 2000. Readers and followers were surprised by this publication because of its Arabic morphology, in which he regained his so-called poetic virility combining heroism and the clash of swords. In these two collections, Aql proved that he was an Arabic language poet par excellence. Despite his call to adopt the spoken Lebanese language and writing it in Latin letters [rather than Arabic script], this project failed to receive broad acclaim.
Aql was known as Lebanon’s poet and he perfectly played the role of the poet who preaches about his homeland, the land of cedars and Phoenicia, the home of civilizations, heroes and legends. He wrote many texts in this context, including his famous book "Loubnan in Haka’" ("If Lebanon Were to Speak"). But Said Aql’s Lebanon was neither realistic nor real. His Lebanon was perfect, legendarily and exaggerated. Aql’s vision of Lebanon was a matter of dispute and controversy between him and a large segment of the Lebanese people, who disagreed with him about the nation’s identity and history. He never [paid much attention to] his opponents or the critics who began political and ideological campaigns against him. He never backed down from his Lebanese principles, with the exception of particular positions he had taken by the beginning of the civil war, which were described as "chauvinistic" by some.
Many of Aql’s fans wished that he had not got into politics and sank into its mud. A Lebanese poet elevated by the Arab language and poetry to the highest ranks of beauty and greatness is far more important than [one who has] come down from the pedestal and into the maze of Lebanese politics. Lebanon, the dream, cannot but remain a dream in the poet’s imagination because the reality of Lebanon is a whole different matter. Lebanon for "Cadmus" is a fiction, a Lebanon written in beautiful poems that emerging from the deep within. However, it was difficult for a poet like Aql to remain on the sidelines of politics although he knew that his political ideas would have a high cost and be controversial, especially among his Arab opponents.
Aql was a unique poet who wrote plays and numerous poems in both classical and colloquial Arabic. He is a poet so great that he cannot be classified — classical and neo-classical, symbolic and Parnassian, he was a rational romantic, always in his own way. He could also be lyrical without any pain or sorrow. It is known that he was never a fan of sad poetry, but always tended to opt for joyful writing. However, Aql managed to be all these poets and none of them at the same time. ... The poet who wrote "Rindalah" left an impact on the poets of his generation and of generations to come. The poets of the first generation of Arab novelty had to face his poetry and try to impose the revolution. However, Aql created his own novelty, a renaissance novelty, both musical and rhythmic, a classical novelty of order, creativity and metaphors.
He sparked innovation in the Arabic poem by purifying the language. He molded the poetic prose and rhymes and tended to adopt short verses, mixing between different rhythms in one poem.
Aql was the poet of glory and greatness, the poet of joy and happiness, the poet of tranquility and salvation, the poet of platonic courting and of pure love. He wrote about women as lovers, sisters and mothers and never adopted erotic poetry. Perhaps therein lays the uniqueness and qualities of courtly poetry from the poet who wrote the most important collections of "Rindalah" and "Ajmal Minki? La!" ("More Beautiful than You? No")
The funeral procession to mark his death is scheduled for Tuesday [Dec. 2] at 11:30 a.m. from St. George Maronite Cathedral in Beirut. His body will then be buried in his hometown of Zahle.


Read more: http://www.al-monitor.com/pulse/culture/2014/12/lebanon-poet-said-akl-dies.html#ixzz4EB7TRK3E

søndag den 19. juni 2016

so ist es !




The future is mixed

Born in London in 1954, Hanif Kureishi is one of the most important British authors, film-makers and thinkers of Asian British origin. In his film-scripts, novels and essays he confronts racism, identity, fringe and post-modern lifestyles.

"From the start I tried to deny my Pakistani self. I was ashamed. It was a curse and I wanted to be rid of it. I wanted to be like everyone else." ("The Rainbow Sign", in: "London Kills Me", p. 4). So wrote Hanif Kureishi in his autobiographical notes "The Rainbow Sign". But in the London suburb Bromley it was impossible for the son of a Pakistani and a white Englishwoman to avoid the ingrained racism of England in the 60s. A teacher at his school refused to call him Hanif, preferring Paki-Pete. Kureishi responded by calling the teacher only by his nickname, whereupon he was expelled. He even had a skinhead friend but first realised this only on being taken home with him once. Later he got to know his friend´s skinhead clique, then on learning that their pastime was to hunt down and beat up Pakistanis, he parted.

 

"I withdrew, from the park, from the lads, to a safer place within myself ... I was only waiting now to get away, to leave the London suburbs, to make another kind of life, somewhere else, with better people." (ibid. p. 5) Young Kureishi began to listen to Pink Floyd and Cream and to write down the speeches of racist politicians like Enoch Powell, while hoping to leave the London suburb. He turned to US culture in reading works from the black homosexual James Baldwin and in discovering the Black Movement. On getting to know the Black Panthers, he took down the poster of the Rolling Stones in his room and put up pictures of the icons of the Panthers - Eldridge Cleaver, Huey Newton and Bobby Seale. Kureishi viewed Islam critically in the form in which it was represented in the USA through Elija Muhammad´s "Nation of Islam". He distanced himself from its black separatism and racism, as did James Baldwin. "Baldwin, having suffered … was all anger and understanding. He was intelligence and love combined." (ibid. p. 8) Hanif began writing: "Perhaps that is why I took to writing in the first place, to make strong feelings into weak feelings." (ibid. p. 34)

 

His themes were his youth in racist England in the 60s, his parents, his friends, his obsessions and London, the city he was living in. His skinhead friend became the model for John in "My Beautiful Laundrette", which also includes his father, as does "The Buddha of Suburbia", or his film "London Kills Me" and so on.

 

With his script for Stephen Frears´ film "My Beautiful Laundrette", which he wrote while staying with his family in Pakistan and adapting Brecht´s "Mother Courage" for the Royal Shakespeare Company, Kureishi did not make himself popular with everyone, though his script was nominated for an Oscar, and the film received rave reviews. The Pakistani community was offended at not being shown as victimised or preferably heroic, and Pakistani organisations accused him of portraying Pakistanis as queers and drug-dealers.

 

Indeed, already in the opening sequence, Kureishi shows that he is not disposed to follow the clichés of the humble victim and the noble savage. The oily Pakistani businessman Salim, with dear clothes and cheap manners, joins with two Jamaicans in having white squatters thrown out of a building which he has just auctioned off. Kureishi here fictionalised what he took to be social reality: "Our cities are full of Asian shops … Those Pakistanis, who have worked hard to establish businesses, now vote Tory and give their money to the Conservative Party." (ibid. p. 28) They have managed to make the most of their opportunities, like Omar, Kureishi´s protagonist. He naively stumbles through his relatives´ conflicts between money-making, tradition, emancipation and the racist excesses of young white workers and also has to find his sexual identity. His true test is his relationship with his homosexual skinhead-friend John, who is running the laundrette. John in turn must decide between his pals and his lover.

 

This all sounds like social drama, but the film is kept in a light ironic tone: "We decided the film was to have gangster and thriller elements, since the gangster film is the form that corresponds most closely to the city, with its gangs and violence. And the film was to be an amusement, despite its references to racism, unemployment and Thatcherism. Irony is the modern mode, a way of commenting on bleakness and cruelty without falling into dourness and didacticism." ("About My Beautiful Laundrette", in: "London Kills Me", p. 113)

 

Kureishi´s first novel "The Buddha of Suburbia" has the same light tone. Once more it is a naive protagonist Karim, who in the tradition of the trickster novel seeks his identity between the worlds of his Pakistani and English relatives, between tradition and London´s cultural scene, and between Jamila, his soul-mate and sexual partner for awhile, and Charlie, the son of his father´s girlfriend. The novel is set in the 70s, in the period between naive flower-power and punk.

 

"I´m Karim Admir, an Englishman, born and bred, almost", is the start of the semi-autobiographical novel. Karim has the same dreams as the young Hanif, who had longed to leave suburbia for London, where there were "kids dressed in velvet cloaks who lived free lives; there were thousands of black people everywhere, so I wouldn´t feel exposed … there were shops selling all the records you could desire, there were parties where girls and boys you didn´t know took you upstairs; there were all the drugs you could use. You see, I didn´t ask much of life: this was the extent of my longing." Kureishi´s protagonist gets all that and a lot more when his father Haroom moves in with his girlfriend Eva and they let Karim live with them.

 

By this time, Karim´s father, who is actually a clerk, has begun a career as a guru, and his son is unable to make out whether he is a charlatan or a cheat. From the time of finding out that his father has a girlfriend, Karim also takes an interest in her family, not least on account of Eva´s son Charlie, who is selfish and ravishing. Karim´s life swings between the Indian culture of his relatives on his father´s side and the English culture on his mother´s. To the former belong Uncle Anwar, the owner of a corner-shop, his wife Princess Jeeta and their daughter Jamila; and to the latter belong Uncle Ted and Aunt Jean "two normal unhappy alcoholics".

 

With Eva´s help, Karim comes into contact with the smart London cultural intelligentsia whose subtle racism he finds bewildering, as he has so far known only the brutally open racism of suburbia. He becomes an actor and is given the role of Moogli in a version of "The Jungle Book", less on account of his talent than on account of his forefathers. While touring America he meets Charlie, who has become a successful rock-star. Charlie tries to persuade him to stay by offering him everything which he once sought - sex, money and freedom - but Karim returns to London.

 

At the end of the book, Karim is in his early 20s and about to become rich and famous. He now has the role of the rebellious son of an Asiatic shop-owner in a television series. His mother has a new friend, and his father wants to marry Eva. Whereas his father is becoming worldly, Karim changes into a buddha. He sits in the middle of the city he loves among the folk he loves and meditates on the unpredictability of life. Maybe in future, he thinks, he could live more profoundly.

 

Many experiences and characters in Buddha are part of Kureishi´s own life. For some time it was a London society pastime to guess the real-life prototypes of the folk in the book. Charlie is modelled on the rock-singer Billy Idol, with whom Hanif went to school but whom he had not seen since he was 16. "Certainly the book is autobiographical in some ways," he said to the New York Times (28 06 90) , "That´s so obvious. But the relationship between your own life and your writing is very complex. It´s hard to realise, yourself, how you´ve transformed part of yourself into the characters you create."

 

Kureishi´s second novel, "The Black Album" (1995), is set in a time in which books are burnt and aubergines read, as he once said on a visit to Berlin. The tale centres on Shahid Hasan, who has just entered university and begun to associate with Islamic fundamentalists. Kureishi does not present him as the prey of evil-doers but rather suggests why someone may be attracted to fundamentalism.

 

Shahid comes from an Islamic family of the Pakistani upper-class, whose elitism leads them to despise the pious ways of their poorer countrymen. Nonetheless he is fascinated by the self-assurance of the leader of the Islamic student group in his college. "These days everyone was insisting on their identity, coming out as a man, woman, gay, black, Jew -- brandishing whichever features they could claim, as if without a tag they wouldn´t be human. Shahid, too, wanted to belong to his people."

 

The fact that he finally hesitates is due to Deedee Osgood, his Cultural Studies professor, with whom he starts an affair. Shahid is a greedy Candide of London in the 90s, who has affairs like a chain-smoker cigarettes, changing from Turkish to Marlborough as luck will have it. It never occurs to him that his affair with a feministic professor wearing a mini-skirt and swallowing ecstasy is strange for an Islamic fundamentalist. As the Islamic students on his campus want to burn Salman Rushdie´s "Satanic Verses", Shahid has to show his colours. Like all leading characters in Kureishi´s books and films, Shahid decides in favour of erotic adventure. "’Until it stops being fun,’ she said. ‘Until then,’ he said."

 

In his collections of short stories "Love in a Blue Time", and "Midnight All Day", as also in his third novel "Intimacy" - Kureishi probed into the bottom of man´s dilemma once it has stopped being fun. The ecstasy and brio of youth yielded to the doldrums. Though Kureishi remained preoccupied with youth and drugs in the film "London Kills Me" (1991), which he directed himself, yet from the mid-90s on he turned to folk whose youthful hopes on the fringe were wilting in their dry lives as husbands and fathers.

 

His characters became sad. ´´The problem was that at the back of Roy´s worldview lay the Rolling Stones, and the delinquent dream of his adolescence -- the idea that vigor and spirit existed in excess, authenticity and the romantic unleashed self,´´ Kureishi writes about Roy, the main figure of the title tale of "Love in a Blue Time". The director of commercials is due to be a father and is stifled by domesticity and the loss of his old hopes. Kureishi´s heroes mostly seek redemption in love and sensuality still, which however fails to solve the problems of their adult lives.

 

Even Bill, Kureishi´s male lead in "D’accord, Baby" is due to be a father, but his pregnant wife is having an affair with another man. Cuckolded Bill plans to revenge himself on his rival by seducing the latter´s daughter, but instead their date offers him a disturbing glimpse of happiness: "He had never kissed anyone for so long, until he forgot where he was, or who they both were, until there was nothing they wanted, and there was only the most satisfactory peace." Nonetheless he unglues himself. The nameless divorced narrator of "Nightlife" finds comfort only in a midnight meeting with a mysterious stranger who never speaks with him. The silent, anonymous affair bugs him, but he remarks: "What does that matter? As long as there is desire there is a pulse; you are alive; what you want is to reach beyond yourself, into the world, finger by finger." Verbal intercourse would only destroy the illusion of erotic redemption.

 

In the short story "My Son the Fanatic", Kureishi returned to the themes of racism, conflicts between generations in Pakistani families of immigrants and to cultural misunderstandings and difficulties. It was filmed by Udayan Prasad in 1998. The Anglicised Pakistani father, who works as a taxi-driver and has a touching fondness for the swinging 60s is startled to hear that his son has joined a group of Islamic fundamentalists. While his son preaches to him about the true life, he himself begins a tender affair with an English prostitute, and the film moves lightly towards a catastrophe.

 

In "Intimacy", Hanif Kureishi showed the agony of failed love. The short novel contains the memories and reflections of a middle-aged man, who is due to leave his girlfriend and his two sons in the morning. Before freeing him, Kureishi describes on 117 merciless pages the hate and fury, the distress and self-pity of a man who feels old but has not even lived his youth out, of a man in search of love and always afraid of missing it by being at the wrong place at the wrong time.

 

The book records the last night he spends with his family, with his children, whom he passionately loves and whom he nonetheless flings angrily into bed and kicks in the nappy, on taking their impatience as a provocation. Jay describes his few tender hours with Susan, his partner. "She always comes come late, cooks supper, washes up and then asks what kinds of ice-cream he would prefer, while he would rather be making love with her on the floor. But it´s been weeks since we´ve fucked".

 

The opposite is true of his affair with Nina, whom he met in a bar somewhere and whom has since seen every couple of weeks in his office. With her he feels as wholly happy as Bill in "D’Accord, Baby", though for quite different reasons: "Suddenly I had the feeling that everything was as it should be and nothing could add to this happiness or contentment … It could only have been love."

 

Kureishi lends him no insight into the reason why he has lost his love for Susan; he gives him no recipe for the preservation of love: "You can protect and encourage the most delicate gifts love, affection, creativity, sexual desire, inspiration but you cannot requisition them. You cannot will love, but only ask why you have put it aside for the time being."

 

Many reviewers, especially the female ones, claimed that Intimacy offers no deep analysis of the failure of a marriage but rather the self-pitying lament of a man driven by lust, of a writer who has taken his worthiest tools with him on his flight from responsibility and towards more sex and literary accolades. Sayings of Jay´s like "she thinks that she´s a feminist but is only in a bad mood", and offensive depictions like "fat, red weeping face" are attributed not to the male lead but to the male writer. After all, has Kureishi not left his girlfriend and their two children for the sake of a woman twenty years younger, with whom he now has a third child?

 

Kureishi answers for himself: "The central character of the book certainly feels cruel and behaves cruelly and couples do certainly behave very cruelly towards one another when they are in that position. I wanted to write a book that seemed to reproduce that." (Observer, 25.2.2001) "I think they were furious because the subject is infuriating. I might be being disingenuous about that, but I do think the subject of leaving someone or of being left, of being abandoned and the cruelty and your dislike of them is very painful for everybody. I wrote a book that was intentionally horrible. I didn´t want to write a book that smoothes things over." (ibid)

 

But the furore about Kureishi´s books has not died down. Women from his life have spoken out for themselves. His sister has accused him of sacrificing his family on the altar of his renown; his mother has called him callous, and Tracey Scoffield, his old flame, said scathingly: "No one seriously believes that the book is only fiction. It all shows how little responsibility he feels towards his children."

 

He replied indirectly in the short story "That Was Then", in which Natasha accuses her former boyfriend, Nick, of having made public their sexual and private relationship. The latter is revealed to the reader only at the end of the tale, as they sleep with each other again. That evening Nick will surely sit down to some writing once more, but will he be writing about their meeting? After all: "There are worlds and worlds and worlds inside you. But perhaps it wouldn’t mean anything to her."

 

"That Was Then" is one of ten short tales in "Midnight All Day"(1999). They take place a year after the novelistic end of Intimacy and feature narcissistic men in middle age, nymphs reading Nietzsche, wives clinging to their hated husbands, and the disturbed children of parted partners. The implosion of love from "Intimacy" continues, and the ruins are depicted gloomily as in the surrealistic fable "The Penis".

 

With "Gabriel’s Gift", his newest novel (2001), Hanif Kureishi returns to the terrain of "The Buddha of Suburbia" and "Black Album" and also includes the theme of a marriage break-up, though this time from the son´s perspective. Refugees from these books also people the world of 15 year old Gabriel, who has to experience his break-up of his parents´ marriage. Gabriel is torn this way and that between them and tries to bring them together again to re-establish the paradise of his childhood.

 

His father Rex once played in Lester Jones´ band. When he is thrown out, Gabriel´s mother Christine says accusingly: "When you´re gone, Rex, we´ll know exactly what to do. Our souls will soar. You´re the ballast in our balloon, mate." When she works as a waitress, she engages the au-pair girl Hannah. Rex and Lester Jones grow reconciled, and Jones, who is a star rather like David Bowie, recognises Gabriel´s affinity with him and sends him an original painting of himself, which Gabriel´s parents would be happy to appropriate, since it offers them a chance of escaping poverty. But for Gabriel it is an irreplaceable recognition of his talent, so is worth more to him than the state of his parents´ marriage. This moment of becoming independent is his salvation.

 

Gabriel´s Gift was actually meant to be a children´s book. David Bowie, who had contributed to "The Buddha of Suburbia", had asked Kureishi to write a book which he would be able to illustrate, but in the course of work the book grew more suitable for grown-ups, and the David Bowie figure became part of the story. Kureishi can see the similarities with his earlier work: "It´s about fathers and sons, which is something that´s always interested me, and also about sons being perhaps more talented than their fathers. It´s about separation between mothers and fathers, which is always traumatic. It´s about people being able to change their lives." (Observer, 25.2.2001)

 

In Gabriel´s Gift, Kureishi is again more conciliatory. He himself says: "I wanted to write a sweeter book. I enjoyed writing ´The Buddha of Suburbia´. The funny ones are always the most fun to do."

Author: Ulrich Joßner

culturebase@hkw.de

Bio

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Born on 05.12.54 in the London suburb Bromley, Hanif Kureishi experienced in his youth a lot of the racism and conflict about which he writes. He was the only Asian in his school and was even addressed disparagingly by one of the teachers as Paki-Pete. He was a victim of the beating up of Pakistanis by white youths, which increased in the 60s.

 

The son of a Pakistani father, who in his spare-time worked as a political editor, and an English mother, he early decided that he wanted to be a writer and wrote novels already as a teenager, though they remained unpublished. He studied philosophy at the University of London, paying his way by writing pornography under the pseudonym Antonia French.

 

He got into the world of theatre as an usher at the Royal Theatre in London, whose writer in residence he became in 1982. His first play, "Soaking up the Heat", was performed in the London Theatre Upstairs in 1976. His second play "The Mother Country" won the Thames Television Playwright Award in 1980. His breakthrough to writing for the "big stage" came with "Borderline", whose premiere was at the Royal Court Theatre in 1981. After this success, his play "Outskirts", also from 1981, was performed by the London Royal Shakespeare company. With his adaptation of Brecht´s "Mother Courage" he conquered the London culture scene, which he later mocked in his first best-selling novel "The Buddha of Suburbia": "They liked me because I was Indian, and lower-middle-class. That was chic. And I was pretty - then." (NYT, 24.5.90)

 

While staying with his Pakistani relatives in Karachi in Pakistan in 1985, he wrote his film-script for "My Beautiful Laundrette", which was then filmed by Stephen Frears. This comedy about the search for identity of a young Londoner of Asian origins and his desperate bid to rise into the English upper middle class was nominated for an Oscar and received the New York critics´ prize for the best film-script in 1987.

 

Even the sequel in 1988 "Sammy and Rosie Get Laid" - brought Stephen Frears a big hit written once more by Kureishi. He was then trying, like many English intellectuals, playwrights and filmmakers, to find an answer to the mishmash of peoples on the British Isles and the test of Thatcherism. At that time Kureishi accused England of being a narrow-minded rat-hole in which corrupt businessmen in the suburbs give the tone (Spiegel, 04.07.88) After Frears had climbed the ladder of success to being a Hollywood director, Kureishi took over the role of director in 1991, for the first and last time, with "London Kills Me".

 

A year earlier, his first autobiographically inspired novel "The Buddha of Suburbia" came out, in which he mocks the Pakistani British immigrant-culture, the pop underground and also the British cultural and theatrical scene. The book was awarded the Whitbread Prize and appeared as a four-part series on British television in 1993. Likewise his second novel, which appeared in 1995, "The Black Album" is about a man torn between two demanding worlds - the British in the West and the Islamic Pakistani in the East. The same year, together with the pop historian John Savage, he brought out an anthology "The Faber Book of Pop".

 

In 1997 a collection of short stories, "Love in a Blue Tim"’, appeared, followed by his third novel "Intimacy" in 1998, as also his second collection of short stories "Midnight All Day". From themes and motifs of the latest books, Patrice Chéreau put together the film "Intimacy", which won the Golden Bear at the Berlinale in 2001. Also the short story "My Son the Fanatic" was adapted in 1998 for a film. In 1999 his play "Sleep with Me" was performed at the Royal National Theatre, and in September 2001 his novel"‘Gabriel´s Gift" appeared.

Works

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Something to tell you

Published Written,

2008

Faber & Faber: London

My Ear at his Heart: Reading my Father

Published Written,

2004

Memoir. Faber and Faber: London

When the Night Begins

Published Written,

2004

Screenplay. Faber and Faber: London

The Mother

Published Written,

2003

Screenplay. Faber and Faber: London

Dreaming and Scheming

Published Written,

2002

Essays. Faber and Faber: London

The Body

Published Written,

2002

Short stories. Faber and Faber: London

Gabriel’s Gift

Published Written,

2001

Novel. Faber und Faber: London

Sleep With Me

Film / TV,

1999

Midnight All Day

Published Written,

1999

Short stories. Faber and Faber: London

Intimacy

Published Written,

1998

Short stories. Faber and Faber: London

My Son the Fanatic

Film / TV,

1998

My Son the Fanatic

Published Written,

1997

Screenplay. Faber and Faber: London

Love in a Blue Time

Published Written,

1997

Short stories. Faber and Faber: London

Faber Book of Pop

Published Written,

1995

Essays. Faber and Faber: London

The Black Album

Published Written,

1995

Novel. Faber and Faber: London

The Buddha of Suburbia

Published Written,

1993

Mother Courage

Production / Performance,

1993

Play.

Outskirts and Other Plays

Published Written,

1992

Screenplays. Faber and Faber: London

London Kills Me

Film / TV,

1991

Director and Script

The Buddha of Suburbia

Published Written,

1990

Novel. Faber and Faber: London

Sammy and Rosie Get Laid

Published Written,

1988

Screenplay. Faber and Faber: London

My Beautiful Laundrette

Film / TV,

1985

Birds of Passage

Published Written,

1983

Screenplay. Amber Lane Press: Oxford

Borderline

Published Written,

1981

søndag den 15. maj 2016

Kazuo Ishiguro

Neuer Roman von Kazuo Ishiguro Im Nebel wandern, um zu verdrängen
Der neue Roman von Kazuo Ishiguro sprengt alle Gattungsgrenzen: „Der begrabene Riese“ ist phantastisch unterhaltsam und historisch relevant. Er wagt es, das Vergessen zu verteidigen.
von Daniel Kehlmann
© Andrew Testa Kazuo Ishiguro, 1954 in Nagasaki geboren, lebt in England.
Manchmal könnte man eine Buchbesprechung kurz halten. Man müsste dann nur darauf hinweisen, dass man über einen bestimmten Roman am besten gar nichts wissen sollte, bevor man ihn liest. In Kazuo Ishiguros „Der begrabene Riese“ liegt die Welt unter einem sich allmählich lichtenden Nebel, und ebendas ist auch sein Kompositionsprinzip: Für sich selbst allmählich herauszufinden, was hier eigentlich verhandelt wird, bildet das eigentliche Erlebnis dieser Lektüre. Wer also dem Rezensenten vertraut, sollte die Rezension an dieser Stelle beenden und lieber gleich „Der begrabene Riese“ lesen.
Wer aber trotz dieser Warnung unbedingt mehr wissen will, zum Beispiel weil er längst beschlossen hat, dass er ohnehin kein Buch anrühren würde, in dem Drachen und magische Nebel vorkommen, dem kann man natürlich Auskunft geben. Man könnte so jemandem gleich erklären, dass „Der begrabene Riese“ ein Ausflug des Autors von „Was vom Tage übrig blieb“ und „Alles was wir geben mussten“ in das Genre der Fantasyliteratur ist.

Auf der Suche nach dem Drachen

Aber ganz so einfach ist es nicht. Denn „Der begrabene Riese“ ist exakt an der Übergangsstelle zwischen historischem und phantastischem Erzählen angesiedelt, im England des sechsten Jahrhunderts. Aus dieser Epoche ist so gut wie nichts bekannt. Nach dem Abzug der Römer verfiel die Zivilisation auf den Britischen Inseln fast vollständig, die größeren Siedlungen wurden zu unbewohnten Ruinenstädten, und für fast dreihundert Jahre liegen so gut wie keine Aufzeichnungen vor - nirgendwo ist der Begriff dark ages so angebracht. Ein Roman, der in dieser Zeit spielt, ist also naturgemäß auf Phantasie angewiesen, und wer sich auf das Weltbild der Menschen der Epoche ernsthaft einlässt, muss von Geistern, Dämonen und archaischen Naturwesen erzählen. In einer von solchen Wesen erfüllten Welt bricht also das alte Ehepaar Axl und Beatrice auf, um ihren Sohn zu finden, der vor Zeiten die kleine Siedlung verlassen hat und nie zurückgekommen ist.
                
Aber ein Nebel liegt auf dem Land, den keine Sonne durchdringt, und er bewirkt Vergessen. Haben die beiden wirklich einen Sohn gehabt? Ganz sicher sind sie nicht. Und wenn ja, wo ist er eigentlich hin? Verschwommen erinnern sie sich, dass etwas passiert ist, aber sie vermögen nicht, der Sache auf den Grund zu gehen. Verwirrt ziehen sie von Siedlung zu Siedlung, immer in Angst vor jenen Wesen, die nachts die Wälder unsicher machen, und treffen Menschen, die wie sie verwirrt, verloren, ohne Gedächtnis sind. Sie treffen auch einen alten Ritter, der behauptet, Gawain zu heißen, vor Zeiten dem großen Artus gedient zu haben und auf der Suche nach einem Drachen zu sein, der schuld an dem Nebel, dem Vergessen und der Misere ist, die das Land befallen hat.

Reich, vieldeutig und rätselhaft wie ein Traum

So weit, so spannend, aber das Grandiose ist, wie Ishiguros Roman alle Gattungsgrenzen sprengt und das, was gerade noch sicher schien, nach und nach fraglich macht. Denn der Ritter, der den Drachen töten will, will womöglich in Wahrheit etwas anderes, und Axl, der einfache Alte, der von großen Dingen nichts weiß, ist womöglich das Gegenteil von dem, was er scheint, und sogar mit dem Drachen, der in einer kurzen Szene wirklich sichtbar wird, verhält es sich offenbar ganz anders. Vor allem aber ist der die Erinnerungen löschende Nebel womöglich nicht der Fluch, als der er zu Beginn erschienen ist. Aber ist es nicht ein Axiom, dass Literatur für die Erinnerung und gegen das Vergessen steht? Wer würde es wagen, diesem Satz zu widersprechen und das Vergessen zu verteidigen?

Nun, Ishiguros Roman wagt es. Sehr spät erst findet der Leser heraus, dass vor nicht allzu langer Zeit ein Bürgerkrieg stattgefunden hat und dass all die verlorenen Menschen Überlebende sind. Der große Nebel war für sie kein Fluch, er hat ihnen vielmehr das Weiterleben ermöglicht; nur dadurch, dass sie die Schrecken, die sie ihren Nachbarn und diese ihnen angetan haben, völlig vergessen haben, war es ihnen möglich, nebeneinander weiterzuleben. Wird nun, da dieser Nebel sich lichtet, die Wahrheit sie frei machen, oder wird sie vielmehr neue Grausamkeiten, neues Blutvergießen und neue Schrecken bringen? Nietzsches These, dass jede Zivilisation auf verdrängter Barbarei aufbaut, bekommt bei Ishiguro neue Dringlichkeit - der begrabene Riese des Titels ist kein Fabelwesen, sondern eine Metapher für verdrängtes Blutvergießen -, und die Frage, ob eine Gesellschaft Täter lieber verfolgen oder vergessen und weitermachen soll, als wäre nichts geschehen, rückt plötzlich in den Mittelpunkt eines Romans, der doch gerade noch so weit entfernt von unseren Tagen zu spielen schien.

Versteckt auf Bestsellerlisten

Aber „Der begrabene Riese“ ist keine Allegorie - im Gegenteil, der Roman ist reich, vieldeutig und so rätselhaft wie ein Traum, und seine Figuren sind keine Marionetten, sondern psychologisch komplex und widersprüchlich. Das gilt besonders für den Ritter Gawain, zunächst scheinbar ein Wiedergänger des Ritters von der traurigen Gestalt, in Wahrheit aber der klarste Geist von allen. Am meisten aber gilt es für die beiden Alten, Axl und Beatrice, die nach einem Leben in tiefster Verbundenheit herausfinden müssen, dass auch ihre Erinnerung sie womöglich getäuscht hat und dass nicht nur der Staat, sondern auch die Liebe nach ständigem Vergessen und immer neuen Lügen über die Vergangenheit verlangt. Aber sobald die beiden, und mit ihnen der Leser, das begriffen haben, sind sie auch schon im letzten Kapitel und in der seltsamsten und schönsten Todesszene angelangt, die es in der Weltliteratur der letzten Jahre gegeben hat. Ja, verlangt das Klischee denn nicht auch, dass Liebe stärker sein muss als der Tod? Bei Ishiguro ist das umgekehrt, und der simple Umstand, dass jeder Charons Boot allein besteigen muss, führt zu einer Schlussszene, auf die man wohl ausnahmsweise und in aller Vorsicht das überbeanspruchte Wort „unvergesslich“ anwenden kann.
Leider kann man aber auch getrost voraussagen, dass so manche Leser, die dieses Meisterwerk schätzen könnten, einen Bogen darum machen werden, weil sie nun einmal beschlossen haben, dass sogenannte Fantasy unter ihrer Würde ist. Sei’s drum, es ist ihr eigener Verlust. Sie werden nie erfahren, was sie versäumen, und „Der begrabene Riese“ wird, wie schon einst „Der Herr der Ringe“, als Geheimtipp auf die Bestsellerlisten verschwinden.
Quelle: F.A.Z.

Apokalyptischer Gottesstaat

Bigaye beobachtet Euch!
George Orwell reloaded: In „2084 - Das Ende der Welt“ entwirft Boualem Sansal die Vision einer religiösen Diktatur. Dystopischer Horror, der leider vor dem Schrecken der Gegenwart verblasst.
von

© Wonge Bergmann „Die Angst ist mein größter Feind“: Der weiterhin in Algier lebende Boualem Sansal, Preisträger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels.
Boualem Sansal riskiert viel. Seit Jahren warnt der algerische Schriftsteller in Büchern und Reden vor dem Vormarsch des Islamismus. Er kritisiert die religiösen Eiferer in der arabischen Welt und das „ohrenbetäubende Schweigen“ muslimischer Intellektueller. Wie der Glaube zu politischen Zwecken instrumentalisiert werden kann, konnte der 1949 in Téniet el Had geborene Ökonom aus der Nähe studieren. Zwischen 1992 und 2006 führten in seiner Heimat bewaffnete Islamisten und die Armee einen brutalen Krieg, dem viele zehntausend zum Opfer fielen. Die Angst sei sein größter Feind, sagt Sansal, der trotz der Gefahr noch immer bei Algier lebt und anders als viele Kollegen nicht nach Paris emigrierte. Für seinen Mut wurde er unter anderem mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.
Groß waren deshalb die Erwartungen an seinen neuen Roman, von dem sich bald herumsprach, er setze sich wie schon frühere Werke Sansals mit religiösem Fanatismus auseinander. Als er voriges Jahr schließlich auf Französisch erschien, avancierte „2084“ zum meistdiskutierten Buch der Rentrée 2015. Heftig diskutiert auf allen Kanälen, verkaufte sich dieser Gruselbericht über das fiktive Land Abistan fast dreihunderttausendmal. Jetzt ist „2084 - Das Ende der Welt“ in der Übersetzung von Vincent von Wroblewsky auch auf Deutsch zu lesen.

Aus „Big Brother“ wird „Bigaye“, aus „Neusprech“ „Abilang“

Der in vier Bücher und einen Epilog unterteilte Roman begleitet den lungenkranken Mittdreißiger Ati, der nach einem Sanatoriumsaufenthalt im entlegenen Ouâ-Gebirge in seine Heimatstadt zurückkehrt und dort plötzlich begreift, dass er tatsächlich in einem Gefängnis lebt. Abistan heißt dieses „Land der Gläubigen“, das in einer unbestimmten Zukunft aus den Trümmern des „Großen Heiligen Krieges“ hervorging und dem allmächtigen Gott Yölah huldigt. Dessen Statthalter auf Erden ist Abi. Zwar hat kein Abistaner diesen „höchsten Führer der Welt“ je gesehen. „Ihn dem Blick des gemeinen Mannes auszusetzen war undenkbar“, weiß der Erzähler zu berichten. Doch soll Abi, munkelt man, einäugig sein und außerdem unsterblich. Abgeschirmt von der Welt, lebt er angeblich in einem Palast, der von Männern kontrolliert wird, denen bei der Geburt das Gehirn entfernt wurde. Jede menschliche Regung ist ihnen fremd, ihre Grausamkeit kennt keine Grenzen.
39973061 © Verlag Vergrößern
Überhaupt wacht der Staatsapparat mit unerbittlicher Härte über seine Bürger. Die drei Leitsätze der Regierung lauten: Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei und Unwissenheit Stärke. Schon mit dem Titel zeigt Sansal, an wem sich sein Tableau einer totalitären Gesellschaft orientiert: an Orwells Roman „1984“, der, 1948 unter dem Eindruck von Nationalsozialismus und Stalinismus entstanden, zum Kanon der Weltliteratur zählt. Anspielungen auf Orwells Überwachungsstaat, der seine Untertanen bis in ihre geheimsten Gedanken kontrolliert, finden sich bei Sansal zuhauf. Das Orwellsche „Neusprech“ heißt hier Abilang. Die Nachfahren des Großen Bruders sind „V“ genannte Wesen, die sich auf die Kunst der Telepathie verstehen und das Land unablässig nach Lügnern abscannen. „Big Brother is watching you“ lautet der eine Satz bei Orwell, den wohl jedes Schulkind kennt: „Bigaye beobachtet Euch!“, heißt es bei Sansal.

Horror der Gegenwart

In dieser buchstabengetreuen Übernahme liegt eines der Probleme von „2084“, schon allein deshalb, weil Orwell heute als Metapher für nahezu jede kulturpolitische Debatte von der Datenüberwachung bis zur Diktatur herhalten muss. Boualem Sansal buchstabiert seine Parabel indes mit grimmiger Wut eins zu eins durch. Das führt dazu, dass seine Figuren, allen voran Ati, kaum Kontur erhalten. Weil sie von ihrem Erzähler zu sehr dafür in Anspruch genommen werden, bestimmte Haltungen und Meinungen zu transportieren. Wie aber lässt sich der Welt von heute mit Google und „Islamischem Staat“ und all den daraus entstehenden Herausforderungen literarisch überhaupt beikommen?
           
Michel Houllebecq wählte dafür in seinem ebenfalls 2015 in Frankreich erschienenen Roman über einen französischen Gottesstaat die Mittel des Zynismus und der Komik. Wenn er sich etwa über die schwächlichen Pariser Intellektuellen lustig macht, die sich mit dem totalitären System durchaus arrangieren können, liest sich „Unterwerfung“ streckenweise wie eine abgründige Komödie. Bei Sansal gibt es keine Zwischentöne und auch keine Transformation. Das Böse ist längst da und etabliert, es ist allgegenwärtig. Die Männer tragen Bärte, die Frauen Schleier und bodenlange Burniqabs, gebetet wird neunmal am Tag. Gepredigt werden Geduld, Gehorsam und Unterwerfung, Museen sind verboten, ebenso Musik und Literatur. Die einzige erlaubte Schrift ist das heilige Buch Gkabul, zu Deutsch: Zustimmung.
Wer die Gesetze missachtet, seine Nachbarn nicht ausspioniert, seine Kinder nicht züchtigt oder öffentliche Hinrichtungen schwänzt, wird vom Komitee für Moralische Gesundheit aufs grausamste bestraft. Deshalb befindet sich auch Ati bald schon auf der Flucht. Denn einmal mit dem Gedanken der Freiheit infiziert, entlarvt er Schritt für Schritt das politische System als riesiges Lügengespinst: Abistans Religion ist Fiktion, ausgedacht von zynischen Clans, die sich in einem erbitterten Machtkampf befinden. Woher allerdings dem schüchternen Ati in einer Welt der totalen Kontrolle ein Gedanke wie Freiheit überhaupt in den Sinn kommt, bleibt ungeklärt. Boualem Sansal will dem Horror der Gegenwart mit seiner apokalyptischen Vision literarisch entgegentreten. Das ist gerade bei einem so kenntnisreichen Autor wie ihm allemal legitim. Doch das böse Märchen verblasst vor einer Wirklichkeit, die längst ihre eigenen Dystopien schreibt.

Boualem Sansal: „“2084 - Das Ende der Welt“. Roman. Aus dem Französischen von Vincent von Wroblewsky. Merlin Verlag, Gifkendorf-Vastorf 2016. 288 S., geb., 24,- €.

Don deLillo

„Zero K“ von Don deLillo Die kalte weiße Stille
Don DeLillo, der amerikanische Schriftsteller und Spezialist für Zeitdiagnostik, hat einen neuen Roman geschrieben. „Zero K“ handelt von Tod und Unsterblichkeit und von Menschen, die sich einfrieren lassen, weil sie wiederauferstehen wollen.
von
© AP Sibirien sei dazu gemacht, um solche Dinge aufzufangen, heißt es in DeLillos Roman. Der Kondensstreifen eines Meteors über der Stadt Tscheljabinsk im Ural. Der Einfall fand am 15. Februar 2013 statt, von den Folgewirkungen wurden mehr als 1500 Menschen verletzt.
Es gibt eine Welt nach der Welt, und wenn das auch unser Vorstellungsvermögen überfordern mag, weil wir kein Paradies voller Jungfrauen vor uns sehen, weil wir auch die vagen Tröstungsangebote und Heilsversprechen der anderen Weltreligionen längst im Museum der interessanten Gedanken abgelegt haben, wenn wir also überhaupt noch etwas über das Nachleben oder die Unsterblichkeit lesen wollen, dann könnte man sich dafür keinen besseren Autor wünschen als Don DeLillo.
Von ihm stammen Romane, ohne die man das Amerika, ach was: die Welt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weniger klar und scharf sehen würde. „Unterwelt“ oder „Sieben Sekunden“ oder „Weißes Rauschen“, um nur ein paar zu nennen.
Nun scheint dieser Don DeLillo auf einmal, mit fast 80 Jahren, einen Science-Fiction-Roman zu schreiben, zumindest ein Buch, das mit ein paar Elementen des Genres spielt. „Zero K“ ist sein 16. Roman, und natürlich bestätigt auch er, was sich in „Weißes Rauschen“ so wunderbar zweideutig formuliert findet: Dass alle Plots zum Tod tendieren, wobei Plot eben nicht nur Handlung bedeutet, sondern auch Verschwörung.
Im Titel „Zero K“ liegt bereits der Hinweis auf ein Verfahren. Der Begriff bezeichnet den absoluten Nullpunkt, null Kelvin, den Grenzwert, der von Physikern bei -273,15 Grad Celsius fixiert wurde. Und all jene, die ihren Körper in flüssigem Stickstoff einfrieren lassen, weil sie hoffen eines Tages aus dem Kälteschlaf aufzuerstehen, werden nun zwar nicht bei Null Kelvin konserviert, aber immerhin bei -196 Grad.
Das klingt wie eine Fiktion, wie ein gern benutztes Motiv von Schriftstellern oder Drehbuchautoren, die auch schon Sylvester Stallone in „Demolition Man“ oder Mel Gibson in „Forever Young“ eingefroren haben, die Tom Cruise in „Vanilla Sky“ in den Kälteschlaf versetzten oder Reisende in ferne Galaxien wie in „Avatar“ oder „Interstellar“.

Einfrieren für das ewige Leben

Fiktion ist daran allerdings nur die Annahme, dass dieses Verfahren funktionieren könnte. Tatsache ist, dass sich mehr als 250 Menschen in den Vereinigten Staaten in flüssigem Stickstoff haben konservieren lassen, manche Optimisten auch nur Kopf und Hirn; ein paar Dutzend sind in Russland schockgefrostet, und wenn in Deutschland nicht die gesetzlichen Grundlagen dafür fehlten, gäbe es mit Sicherheit auch zahlreiche Aspiranten, die sich in Kryostase begeben würden, wie sich dieser Schritt nennt, weil sie sich nach dem ewigen Leben sehnen.
Bei Don DeLillo ist es ein Finanztycoon namens Ross Lockhart, der viel Geld in ein Projekt namens „The Convergence“ investiert hat, das irgendwo in der kasachischen Wüste liegt. Die nächste Stadt, heißt es einmal vage, sei wohl Bischkek in Kirgistan.
Lockhart, der vom unaufhaltsamen Fortschritt der Kryonik überzeugt ist, will seine schwerkranke zweite Frau dort sterben und konservieren lassen, und er ringt zugleich mit der Entscheidung, sie sofort in den Tod zu begleiten, der in dieser Logik nur Vorstufe zu Wiederauferstehung und Unsterblichkeit ist. Lockharts Motivation, die Geschäftstüchtigkeit mit etwas Altruismus vereint, spricht schon aus dem ersten Satz von „Zero K“: „Jeder will das Ende der Welt besitzen.“

Wem gehört das Ende der Welt?

Doch Ross Lockhart ist nicht der Erzähler, sondern sein Sohn Jeffrey, dessen Verhältnis zum Vater angespannt ist, da dieser die Familie verließ, als Jeffrey 13 Jahre alt war. Ross lässt ihn aus New York einfliegen, und gleich auf den ersten Seiten, in der Beschreibung der Bauten mitten im Nirgendwo, ist er da, dieser typische Sound von Don DeLillo.
„Ich stellte es mir als eine Stadt vor, die erst in der Zukunft entdeckt werden sollte“, sagt Jeffrey über die Anlage der „Convergence“, „versteckte Häuser, agoraphobisch abgedichtet. Es waren blinde Häuser, düster und gedämpft, die Fenster unsichtbar, dazu gemacht, sich selbst zusammenzufalten, sobald der Film den Moment des digitalen Absturzes erreicht.“
Den Konflikt zwischen Vater und Sohn hat DeLillo auch als Konflikt zwischen dem Glauben an die mit wissenschaftlichen Methoden erreichbare Unsterblichkeit und der humanen Skepsis inszeniert, die sich lakonisch in dem Satz ausdrückt: „Was soll das Leben, wenn wir nicht an seinem Ende sterben?“
Es geht also um die letzten Dinge, um die metaphysischen Restbestände, welche sich nicht einfach auflösen im Licht wissenschaftlicher Erkenntnisse. Und die großen Fragen spiegeln sich bei DeLillo immer auch in den kleinen hochauflösenden Alltagsbeobachtungen, in den ephemeren Erscheinungen der populären Kultur.
In Vignetten über die Funktionsweise eines Geldautomaten oder die Art und Weise, wie man Blickkontakt mit Obdachlosen in der U-Bahn vermeidet, steckt auch eine Stück Zeitdiagnostik.
65th Cannes Film Festival - Cosmopolis Press Conference © dpa Vergrößern Don DeLillo
Jeffrey streift durch die Flure und seltsamen Räume der „Convergence“ und kommentiert die Sentenzen der Verantwortlichen, die von „life extension“ reden, was klingt wie die beliebten „hair extensions“. Der Tod wird hier als „kulturelles Artefakt“ betrachtet, als „eine Gewohnheit, mit der sich schwer brechen lässt“. Jeffrey spricht mit Artis, der zweiten Frau seines Vaters, die beim Wiedererwachen auf „eine neue Wahrnehmung der Welt“ hofft, und er schaut ihr beim Sterben zu.

Im Wartesaal des Todes

DeLillo durchschießt diesen ersten Teil des Romans immer wieder mit kleinen Rückblenden in Jeffreys Kindheit; verblasste Erinnerungen an die Mutter und an den Vater, der sich neu erfand, indem er seinen alten Namen Nicholas Satterswaite aufgab und sich knapp und amerikanisch-kernig Ross Lockhart nannte. In der weltfernen Atmosphäre der „Convergence“, in diesem komfortablen Wartesaal des Todes überlässt sich Jeffrey seiner Obsession, Menschen Namen zu geben, die ihnen entsprechen, oder Dinge zu definieren, als hinge deren Existenz davon ab.
Je länger Jeffrey sich an diesem Unort aufhält, desto weniger vertraut, desto unwirklicher erscheint er ihm. Er unterhält sich mit einem seltsamen gefallenen Mönch über den Weltuntergang, und als Jeffrey den Meteor erwähnt, der im Februar 2013 über der Stadt Tscheljabinsk im Ural niederging, sagt sein Gegenüber nur, Sibirien sei dazu da, „um diese Dinge aufzufangen“.
Der rastlose Sohn bleibt vor den großen Bildschirmen stehen, die sich von der Decke herabsenken, und schaut auf Katastrophenbilder ohne Ton: Überflutungen, Tsunamis, ausbrechende Vulkane, verheerende Brände und geplünderte Städte, kriegerische Auseinandersetzungen, Leichname, über denen die Geier kreisen.
In einem Garten trifft er einen steinalten Mann, der vom „Transrationalen“ schwärmt, und überall sieht er unbekleidete Schaufensterpuppen, die den eingefrorenen Menschen in den Gefäßen gleichen – und umgekehrt. Das alles steigert nur seine Abscheu vor dieser „kühlen, weißen Stille“.

Monolog aus dem Zwischenreich

Zwischen die beiden Teile des Romans hat DeLillo so etwas wie einen inneren Monolog gesetzt: „Artis Martineau“ ist er überschrieben, so als gäbe es eine Aufzeichnung aus diesem Zwischenreich des Kälteschlafs, als wäre da etwas nach dem Sterben, das weder Leben ist noch Tod; als wäre Artis wie Schrödingers Katze in der Quantenmechanik: gleichzeitig lebendig und tot.
Erste und dritte Person Singular fallen ineinander: „Sie ist nichts als Wörter, aber sie weiß nicht, wie sie aus den Wörtern heraus jemand werden, wie sie eine Person werden kann, die die Wörter kennt.“ Es ist ein eigenartiger Text, rätselhafter als alles, was Don DeLillo je geschrieben hat, von ferne allenfalls zu vergleichen mit der Erzählperspektive in „Body Artist“.
Es ist ohnehin viel Vintage Don DeLillo in „Zero K“. Die Manie der Namensgebung gehört dazu, ein Augustinus-Zitat aus „Americana“ begegnet einem wieder, die Monitore erinnern an die Videoinstallation des Zapruder-Films in „Unterwelt“, der Meteor von Tscheljabinsk an den Tunguska-Asteroiden von 1908, der in Thomas Pynchons „Gegen den Tag“ eine Rolle spielt. Man könnte diese Liste fast beliebig verlängern.
Samenspende © dpa Vergrößern Hier wird nur eine Samenprobe schockgefrostet, in DeLillos Roman wird der ganze menschliche Körper mittels einer Kryokonservierung in flüssigem Stickstoff bei -196 Grad Celsius gelagert.
Entscheidender ist jedoch die Frage, ob das Recycling ist, ein Zeichen von Ermüdung, oder ob daraus etwas Neues entsteht, ob die alten Techniken, Anspielungen und Stilmittel immer noch die Physiognomie einer neuen Welt sichtbar machen oder sogar etwas vorwegnehmen, wie das in den größten Momenten der früheren Romane geschah.

Die Kunst des Recyclings

Leicht zu beantworten ist das nicht. Jeffrey zumindest hat noch den alten Blick des DeLillo-Helden. Man sollte sich dabei nicht täuschen lassen von der ersten Person Singular, weil DeLillo sich nie in die Psychologie seiner Figuren versenkt hat; es ist eher so, dass die Gedanken und die Assoziationen einer Figur dieser oft gar nicht allein zu „gehören“ scheinen. Sie sind, in den klingenden Reihungen, in den aphoristischen Zuspitzungen eher Stilmittel DeLillos.
Das war schon so bei Jack Gladney in „Weißes Rauschen“ oder erst recht bei dem eremitischen Schriftsteller Bill Gray in „Mao II“. Auch Jeffrey Lockhart ist in der Welt, und die Welt ist auf Distanz, wie durch eine Milchglasscheibe scheint er sie zu betrachten. Seine Beziehung zu seiner Freundin Emma, die erst im zweiten Teil auftaucht, hat etwas Lethargisches, sie wird einfach versickern im Laufe der Erzählung, als wolle Jeffrey nicht kämpfen, als sei er gelähmt von seiner Vergangenheit, von dem Vater, an dem er sich abarbeitet.
Er lehnt jeden Job ab, den der Vater anbietet, er heuert an einem kleinen College in Connecticut als „Compliance and ethics officer“ an, als eine Art Beauftragter für ethisches Geschäftsverhalten und Befolgung von Regeln. Aber er reist noch einmal in die kasachische Wüste, als Sterbebegleiter für den Vater, der, obwohl völlig gesund, von der Trauer um Artis und von der Idee seiner Wiederauferstehung so überwältigt ist, dass er es nicht abwarten kann.
Hingerissen von einem Phantasma, das seine Sterbehelferin mit dem schwülstigen Pathos aller Propheten formuliert: „Sie stehen völlig außerhalb jenes Narrativs, das wir als Geschichte bezeichnen.“ All diese Motive, Metaphern und Gedankenfiguren sind zu diesem Zeitpunkt jedoch längst durchgespielt, nicht ohne Redundanz, mitunter ungewohnt plakativ und ziemlich explizit für DeLillo.

Sterben als bizarre Kunstaktion

Was allerdings auffällt, was die Originalität dieses Romans ausmacht, das ist, wie sich diese Welt der Kryostase, die Jeffrey durchwandert, unter DeLillos Blick mehr und mehr in eine bizarre, unerhörte Kunstaktion zu verwandeln scheint, welche die Trennung von Kunst und Leben verwischt.
DeLillo hat immer schon ein Gespür für die besonderen Wege und Grenzüberschreitungen der modernen Kunst gehabt, ob er nun über Gerhard Richters Baader-Meinhof-Zyklus schrieb oder über einen Flugzeugfriedhof als Kunstinstallation in „Unterwelt“.
Die Schaufensterpuppen in „Zero K“ bündeln Echos von de Chirico und Man Ray bis zu Cindy Shermans „Sex Pictures“, der riesige Totenschädel in einem Saal der „Convergence“ könnte auch von Damien Hirst stammen; Artis redet von Land Art und Jeffrey von Body Art, wie sie als „eine Form visionärer Kunst“ in jenen Behältern auftaucht, in denen die ganzkörperrasierten Schockgefrorenen auf ihr Erwachen warten.
Von all dem geht noch immer eine Faszination aus, von dieser präzisen, kristallinen Sprache, von diesem unverwechselbaren Sound; aber es ist nicht mehr der unwiderstehliche Funke, der überspringt, es ist nicht mehr der Sog, den die Romane früher erzeugten.
 
Dass einer mit fast 80 Jahren schon mal über mögliche Welten nach der Welt nachdenkt, dass ihn das Ungenügen an der Endlichkeit mehr umtreibt als etwa der Terror des IS oder das Universum von Big Data, ist nun aber verständlich. Auch Clint Eastwood hat sich schließlich in „Hereafter“ (2010) mit dem Jenseits im Diesseits befasst.
Und Don DeLillo hat für das Ende von „Zero K“ dann auch einen schönen, epiphanischen Augenblick gefunden. Während einer Busfahrt durch Manhattan, von Westen nach Osten, beobachtet Jeffrey durchs Heckfenster den Sonnenuntergang und erlebt, was in Manhattan wohl ein oder zwei Mal im Jahr passiert: Dass „die Sonnenstrahlen mit dem Gitternetz der Straßen zur Deckung kommen“. Und das ist dann wieder fast so großartig wie das Wort „Peace“ am Ende der fast eintausend Seiten „Unterwelt“.

F.A.Z.