mandag den 10. september 2012

Syrische Bürgerkrieg

„Assad droht Gaddafis Schicksal“ München – Im syrischen Bürgerkrieg eskaliert die Gewalt. Ein Ende des Assad-Regimes ist aber nicht in Sicht. Wir sprachen darüber mit dem Nahost-Experten Prof. Dr. Peter Scholl-Latour: Herr Scholl-Latour, wie viel Zeit geben Sie dem Assad-Regime noch? Viele Hunde sind des Hasen Tod. Der Umsturz und der Fall des Regimes erfolgen nicht von innen her. Er wird systematisch von außen betrieben. Assad hat natürlich im Land sehr viele Feinde. Aber so, wie der „Arabische Frühling“ bisher verlaufen ist, würde sogar der sunnitische Mittelstand, der in Syrien sehr bedeutend ist, auf diesen Bürgerkrieg gerne verzichten. Assad ist Alewit, gehört also einer Minderheit an. Wie sind die Alewiten einzuordnen? Professor Peter Scholl-Latour Assad hat sie auf seiner Seite. Es handelt sich dabei um kampferprobte Truppen, sogar um grausame Milizen, die jetzt um ihr Leben kämpfen. Es geht nicht nur um das Verteidigen von Privilegien. Diese Truppen werden massakriert, wenn ihre Gegner an die Macht kommen. Was haben die Christen zu befürchten? Das ist im Fall Syrien der eigentliche Skandal. Der Westen kümmert sich nicht im Geringsten um das Schicksal der syrischen Christen – immerhin zehn Prozent der Bevölkerung. Den Christen wird es nach einer Machtergreifung durch die Salafisten ebenso ergehen wie einst den Christen im Irak, von denen die Hälfte bereits geflohen ist. Bei aller Kritik darf man nicht vergessen, dass das Assad-Regime das einzige säkulare im gesamten Orient war. Es gab in Syrien sogar einen christlichen General, der erst kürzlich umgebracht worden ist. Syrien: So wütet Assad gegen sein eigenes Volk Dennoch war der Aufruhr in Syrien wohl kaum zu vermeiden. Das ist richtig. Syrien steht in einer Linie mit nahezu allen arabischen Ländern – ausgenommen jene Staaten, in denen Monarchien sich mit allen Mitteln und auch mit US- Hilfe behaupten. Wer steht hinter den Aufständischen in Syrien, wer unterstützt sie? Saudi-Arabien, Katar, die Türkei und natürlich die USA. Nicht zu vergessen die Europäer, die ebenfalls kräftig mitmischen. Sie sind vor allem verbal immer in vorderster Front zu finden. Etwa beim Fordern von Sanktionen. Geht es um tatkräftiges Engagement, stellen sie sich allerdings meist weit hinten an. Diese Rufe nach Sanktionen sind wenig sinnvoll, weil sie in erster Linie die armen Bevölkerungsteile treffen. Und nicht die führenden Schichten, wie wir wissen. Sie meinen damit die Sanktionen gegen den Irak? Ja, dort konnte unter anderem wegen fehlender Chemikalien das Trinkwasser nicht gereinigt werden, und tausende Kinder mussten qualvoll sterben. Sanktionen, das muss man klar sehen, sind eine inhumane Maßnahme. Wie kommen die Aufständischen in Syrien an Waffen und Munition, wie funktioniert die Logistik? An Geld herrscht kein Mangel. Dafür sorgen die Saudis, Katar und die USA. Geliefert werden die Waffen ganz offiziell über die Türkei nach Syrien. Ohne diese Hilfe hätten die Aufständischen niemals die Kraft, gegen Assads Truppen zu bestehen. Es fällt auch auf, dass die Aufstände in Orten ausbrachen, die sehr nahe an den Grenzen zu Jordanien und zur Türkei liegen. Warum liegt vor allem den USA so viel am Sturz des Assad-Regimes? Der eigentliche Zweck dieses Umsturzes, und deshalb sind auch die Amerikaner so intensiv beteiligt, ist das Verhindern einer Achse. Unterbunden werden soll, dass der Iran über den Irak – der ebenfalls mehrheitlich schiitisch ist und dessen Regierungschef mit Teheran sympathisiert – und über die Alewiten in Syrien, die ebenfalls Teheran nahestehen, die bereits enge Verbindung zur Hisbollah im Libanon ausbaut. Dort ist die Hisbollah im Süden die stärkste und landesweit die kontrollierende Kraft. Sie ist so stark, dass sie im Jahr 2006 sogar die Israelis zurückschlagen konnte. Seit einigen Tagen wird viel von Assads Giftgas-Arsenalen gesprochen. Was halten Sie davon? Das erinnert stark an die Ereignisse vor dem Irak-Krieg. Im Jahr 2003 musste sich US-Außenminister Colin Powell vor die Vereinten Nationen stellen und über Massenvernichtungswaffen berichten, die Saddam Hussein nie hatte. Zumindest nicht in größerem Ausmaß. Natürlich verfügen auch die Syrer – wie nahezu alle Länder in der Region – über Gift-Kampfstoffe. Doch das Arsenal dürfte überschaubar sein. Der Einsatz ist unwahrscheinlich, er würde die eigene Bevölkerung treffen. Lassen Sie uns noch einmal auf die Rolle des Iran kommen: Wie groß ist sie? Längst nicht so groß, wie sie vor allem im Westen immer wieder dargestellt wird. Der Iran hat sich zuletzt sehr stark zurückgehalten. Unter anderem auch im Irak, wo längst viel radikalere Kräfte an der Macht sein könnten. Mit Blick auf Syrien sollte nicht übersehen werden, dass dort salafistische und extremistische Kräfte agieren, die von Saudi-Arabien und dem dortigen Wahhabiten-Regime sowie durch religiöse Institutionen unterstützt werden. Auch El Kaida ist in Syrien engagiert – was bedeutet, dass die Amerikaner dort zu Verbündeten einer Terrororganisation geworden sind. Stichwort Russland: Das Verhalten des Kreml in der Syrien-Frage wird viel kritisiert. Zu Recht? Ich bin darüber nicht sehr entrüstet. Auch wir sollten ein wenig mehr Zurückhaltung üben. Dass US-Außenministerin Clinton sich kürzlich in Kairo einzumischen versuchte, wird ganz sicher keine positiven Folgen haben. Was wird denn mit Präsident Assad passieren? Er hat nur wenige Möglichkeiten. Falls er nicht irgendwo ins Exil gehen kann, wird er entweder Gaddafis Schicksal teilen, der von seinen Gegnern gefoltert, gepfählt und erst dann getötet worden ist, oder er landet vor dem Internationalen Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag und verbringt den Rest seines Lebens in einer Gefängniszelle. Er wird also bis zum Letzten kämpfen? Es wird ihm gar nichts anderes übrig bleiben. Er hat ja auch Verpflichtungen gegenüber seinen alewitischen Glaubensbrüdern, denen bei einer Niederlage des Regimes ein Massaker droht, an dem gemessen die bisherigen Verluste des Regimes gering sind. Wie lange wird der Krieg in Syrien Ihrer Einschätzung nach dauern? Die Kämpfe können noch sehr lange anhalten. Im Libanon hat der Bürgerkrieg 15 Jahre gedauert. Das wird in Syrien aber nicht der Fall sein, weil der Druck von außen sehr viel größer ist. Aber auch mit Blick auf eine drohende lange Dauer der Kämpfe gilt: Sich direkt einzumischen, ist nicht ratsam. Das Gespräch führte Werner Menner zurück zur Übersicht: Politik

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